Blog zum historischen Roman "Im Banne des Besten" mit Informationen über die Blütezeit des Römischen Imperiums
Samstag, 20. April 2019
Kaiser Trajan und die mittelalterliche Kirche
Trajan gilt bis heute als einer der bedeutendsten römischen Kaiser. Zu Lebzeiten hochgeehrt, nach seinem Tod mit Ehrungen überhäuft, in der Spätantike - schon unter dem Einfluss des Christentums - bewundert, wurde ihm sogar im Mittelalter eine Ausnahmestellung zuteil.
Die Trajan-Legende besagt, der Kaiser hätte mitten in einem Feldzug einer Witwe, deren Sohn ermordet worden war, Trost gespendet und Unterstützung versprochen. Der Gedanke, dass ein römischer Kaiser so etwas getan haben soll, ist gar nicht so abwegig. Nur findet sich in den antiken Quellen keinerlei Hinweis auf eine solche Begebenheit unter Trajan. Aber die Überlieferung über seine Regierung ist mehr als dürftig, und einige antike Geschichtswerke sind verloren gegangen. Vielleicht gab es wirklich einen solchen Fall, den wir nicht kennen. Mir kommt dabei eine Szene vom Relief der Trajanssäule in den Sinn: Der Kaiser befindet sich in einer Ortschaft an einem Fluss und hat sich einer Gruppe von gefangenen Dakerinnen mit ihren Kindern zugewandt. Eine der Frauen, die ein Kind auf dem Arm trägt, sieht ihn an, und er sagt etwas zu ihr oder befielt etwas – ihre Einschiffung nach Rom vielleicht? Handelte es sich um Geiseln? Jene Szene muss dem Imperator und den ausführenden Künstlern wichtig bzw. exemplarisch gewesen sein, ohne dass sie sich uns völlig erschließt.
Die mittelalterliche Trajan-Legende wurde ausgeschmückt: Trajans Sohn (den es nicht gab) sei am Tod des Sohnes der Witwe schuldig gewesen, und der Kaiser hätte letztendlich für Gerechtigkeit gesorgt. Solche Legenden um den "Besten Kaiser" Roms sollen Papst Gregor I. dazu bewogen haben, für Trajan zu beten. Der Papst soll bewirkt haben, dass die Seele des Kaisers aus der Hölle befreit wurde. Die seltsame Geschichte - immerhin wurden unter Trajan Christen zum Tode verurteilt - wurde dahingehend entschärft, dass es sich um eine Ausnahme handelte und nie wieder ein Kirchenoberhaupt einen solchen Wunsch äußern durfte. Was soll man dazu sagen? Menschen sind widersprüchlich, auch in ihren tiefsten moralischen und religiösen Empfindungen und Werturteilen.
Ich war ein Teenager, als ich Dantes "Göttliche Komödie" im Bücherschrank meiner Eltern entdeckte. Das Werk faszinierte mich. Ich nahm nur Bruchstücke davon auf. Der antike Dichter Vergil führte Dante durch die Vorhölle, die Hölle, über den Läuterungsberg ins Paradies. Mich sprachen vor allem die antiken Namen darin an, und ich spürte, dass ich besondere Literatur in den Händen hielt. Am Läuterungsberg, der Hölle entkommen, aber noch nicht im Paradies, sah der Dichter Trajan. Er spielte auf die Legende und die Befreiung "des Römerfürsten" durch Papst Gregor an. Ich verstand nicht genau, worum es ging, aber ich ahnte etwas von der Ausnahmestellung des Imperators in der Überlieferung. Dante schrieb, dass die Witwe das Pferd des Kaisers am Zaum hielt, während sie mit ihm sprach. Er dachte also nicht an die Szene vom Relief der Säule, welche ich vor Augen habe, die freilich ebenso das Potential zur Legendenbildung hätte.
Der Althistoriker Karl Strobel hat sich in seinem außerordentlich detaillierten und aufschlussreichen Sachbuch „Kaiser Trajan. Eine Epoche der Weltgeschichte“ mit jenem Herrscher und seiner Politik sehr kritisch auseinandergesetzt. Ich teile nicht alle Interpretationen und Schlussfolgerungen von Herrn Prof. Strobel, und ich gestehe der positiven Überlieferung über Trajan eine gewisse Berechtigung zu. Jener Kaiser verkörperte Dienst am Staat, gesellschaftliche Werte und eine der damaligen Zeit entsprechende Humanität. Aus heutiger Sicht sind ihm durchaus Fehleinschätzungen unterlaufen. Aber Fehleinschätzungen erkennt man meist nachträglich, erst recht nach 1.900 Jahren. Und Fehler sind menschlich. Zu meiner Bewertung des Partherkrieges siehe hier.
Kaiser Trajan hatte den Willen, "gut und zum Nutzen von allen" zu regieren (Plinius, Panegyrikus 67,4). Allein schon dieser Wille ist positiv zu beurteilen. Wohlwollen und eine differenzierte Würdigung hat Trajan verdient. All dies wurde und wird ihm zuteil: zu Lebzeiten, in späteren geschichtlichen Epochen und auch heute. Anlässlich seines 1.900. Todestages Anfang August 2017 wurde er vielfach in den Medien gewürdigt, sogar in Regionen, die keinen Bezug zu seiner Persönlichkeit haben. An Orten seines Wirkens ist er ohnehin unvergessen.
Literatur:
Karl Strobel: Kaiser Traian. Eine Epoche der Weltgeschichte. Verlag Pustet, Regensburg 2010, iSBN 978-3-7917-2172-9
Plinius der Jüngere: Panegyrikus, Herausgegeben und übersetzt von Werner Kühn, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, 1985, ISBN: 3-534-09220-1
Kaiser Trajan und gefangene Dakerinnen, die von Soldaten bewacht werden. Der Kaiser links oben im Bild (der Kleidung des Imperators werde ich auch noch einen Text widmen). .
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